Notwasserung einer Super-Constellation im Nordatlantik am 23. September 1962 Autor: Markus Janka Korrektur durch: Andreas Michel, Georg Schüpbach Alle 3 Personen waren bei dieser Rettungsaktion dabei! Das Frachtschiff "Celerina" war auf der Fahrt von Port Churchill in der Hudson Bay, Kanada, nach Antwerpen, Belgien. Wir befanden uns ungefähr in der Mitte zwischen Kanada und Irland mitten im Nordatlantik. Am Sonntag, den 23. September 1962 waren wir nach dem Nachtessen beim Kartenspiel im Mess Room. Da erschien unser 2. Maschinist Kopenhagen und erzählte uns, dass unser Funker Georg Stöckli um 21.17 GMT einen Notruf empfangen hätte. Ein Flugzeug habe eine Notwasserung vorgenommen. Die letzte Position sei 54.05 Nord und 30.30 West um 20:48 GMT. Wir seien am nächsten bei der Unfallstelle und müssten die Leute retten. Wir vom Maschinenpersonal erhielten den Befehl, den Rettungsboot-Motor startklar zu machen. Ich begab mich mit warmen Kleidern zum Rettungsboot. Der 2. Maschinist versuchte den Motor mit der Handkurbel zu starten, was aber nie gelang. Ich durfte auch an der Handkurbel drehen, auch ohne Erfolg. Da der Motor nie nach Vorschrift gewartet worden war, brachten wir den Motor nie in Gang. Nach einer Stunde hatte ich genug am Motor gedreht. So meldete ich mich zur Toilette ab. Nachher ging ich auf die Brücke, um zu schauen, was da so abläuft. Der Kapitän suchte im Dunkeln mit dem Feldstecher (Fernglas) nach einem Schlauchboot. Ich fragte den Kapitän, ob er den Suchscheinwerfer am Radarmast einschalten wolle. Der Suchscheinwerfer wurde eingeschaltet und ich kletterte auf das Podium, um den Scheinwerfer zu bedienen. Ich suchte den Horizont ab. Es war schwierig, da wir hohen Seegang hatten. Später kamen Flugzeuge und erhellten den Himmel mit Leuchtkörpern. Nach einigen Stunden hatte ich ein Licht entdeckt, welches ich im Lichtkegel fixierte. Der Kapitän fuhr nun das Schiff in die Nähe des Schlauchbootes. Leider wurde das Schlauchboot zuerst wieder abgetrieben. Wir mussten nochmals eine Schlaufe fahren. Um etwa 2 Uhr hatten wir das Schlauchboot an der Seite. Im Schlauchboot erkannte ich etwa 50 Leute. Das Schlauchboot war für 25 Personen gebaut, es waren aber 51 Leute drin. In der Mitte des Schlauchbootes hat es viel Wasser. Darin lagen 3 ertrunkene Passagiere. Der Bootsmann befestigte eine Jakobsleiter beim Schlauchboot. Der Zimmermann Walter Wunderlin aus Mumpf und der Matrose Savatore Stampinato kletterten gut gesichert zum Schlauchboot runter. Sie befestigten die verletzten Leute mit einer Gurte um den Körper an einer Sicherheitsleine, damit man sie an Bord bringen konnte. Ich kletterte vom Mast, da man mich vorläufig nicht mehr am Such-Scheinwerfer benötigte. In der Küche nahm ich einen heissen Tee zu mir. >Die ersten Leute aus dem Schlauchboot wurden in die Korridore gebracht. Wir schickten die unterkühlten Leute zuerst unter die heisse Dusche. Dann erhielten sie von uns frische Kleider. Die Schwerverletzten legten wir in unsere Betten. Die Leichtverletzten mussten sich auf der Bank niederlegen. Einige sassen in der Pantry auf dem Wärmeschrank, um sich aufzuwärmen. Die Geretteten erzählten, dass noch ein anderes Schlauchboot auf dem Wasser sei. In Absprache mit dem Kapitän kletterte ich wieder auf den Mast, um den Such-Scheinwerfer zu bedienen. Wir suchten noch einige Stunden den Horizont ab. Leider kam kein weiteres Schlauchboot in Sicht. Dieses wurde erst später vom Wetterschiff "Weather Adviser" gefunden das sich auf der Position "Juliett" befand. Darin lag die tote Stewardess Jaqueline Brotmann, 24. Gegen Morgengrauen gaben wir die Suche mit dem Scheinwerfer auf. Am Vormittag, Montag, 24. September 1962, fuhr der kanadische Flugzeugträger "Bonaventura" in unsere Nähe. Ein Helikopter flog zu unserem Schiff. Über der hintersten Ladeluke wurden 2 Ärzte abgeseilt. Die Ärzte entschieden, welche Personen auf den Flugzeugträger gebracht werden sollten. Diese Rettungaktionen nahm ich auf Schmalfilm und mit der Fotokamera auf. Den Dia-Film gab ich dem von uns geretteten Journalisten Peter A. Foley mit. Er wollte die Bilder in seiner Zeitung "Stars & Strips" veröffentlichen. Den Dia-Film wollte er mir zurücksenden. Ich habe von dem Mann nie mehr etwas gehört. Viele Gerettete hatten vom Salzwasser und vom Kerosin Verätzungen der Wunden erlitten. Unser Funker Georg Stöckli forderte per Funk Medikamente gegen Brandwunden an. Diese Funkmeldung wurde missverstanden. Es ging die Meldung um die Welt: "Celerina steht in Flammen". In meiner Kabine waren 2 junge Fallschirmjäger untergebracht, einer im Bett, einer auf dem Bank. Am späten Abend stritt ich mich mit Chief Engineer Neumann herum. Er begriff als Einziger nicht, warum die Besatzung nicht im Bett lag. Unsere Kabinen waren belegt und wir mussten uns eine Schlafgelegenheit suchen. Am Dienstag, 25. September 1962, nahmen wir nach kurzem Schlaf die normale Arbeit wieder auf. Am Abend durfte ich beim 2. Maschinisten Kopenhagen auf der Bank schlafen. Am Mittwoch, 26. September 1962, befanden wir uns in der Nähe der irischen Küste. Von Land kamen Helikopter angeflogen, um Verletzte abzuholen. Etwa 20 Personen wurden weggeflogen. Wir erhielten Proviant aus der Luft. Die Pakete wurden aus dem Helikopter abgeworfen. Wir standen auf der hintersten Ladeluken. Mit den Händen hielten wir eine grosse Blache, um die Pakete aufzufangen. Nach dem ersten Abwurf waren alle unsere Fingernägel abgebrochen. So klemmten wir die Blachen unter die Ellbogen. Die Pakete erhielten auch Zigaretten und Zahnbürsten. Ein Boot mit Reportern tauchte auch bei uns auf. Am Donnerstag, 27. September 1962, fuhren wir durch den Aermel-Kanal. Uns war damals nicht bekannt, dass die USA in Vietnam kämpfte. Alle versicherten uns auch, dass sie sofort wieder in ein Flugzeug steigen würden. Wir tauschten auch unsere Adressen aus. Leider erhielt niemand von uns auch nur eine Postkarte. Aus den Augen, aus dem Sinn. Abends ankerten wir im Fluss bei Antwerpen. Am Freitag, 28. September 1962, fuhren wir um 11 Uhr in die Schleuse ein. Am Ufer waren etwa 200 Leute anwesend, Reporter und Militär-Personen. Um 13:15 legten wir in Antwerpen im Dock 123 an. An der Pier warteten etwa 300 Leute auf unser Schiff. Medienleute aus vielen Ländern waren dabei. Der Blick-Reporter Carlo Frey fotographierte uns, als wir an der Verschanzung standen. Das Bild war am nächsten Tag im Blick auf der Titelseite zu sehen. So wurden wir in der Heimat für einen Tag zu Helden gestempelt. Vom Schweizer Fernsehen war Walter Blickensdorfer dabei. Ihm übergab ich meinen 8 mm-Farbfilm, den ich während Rettungsaktion mit den Helikoptern gedreht hatte. Da damals die Entwicklung eines Farbfilmes längere Zeit dauerte, konnten die Aufnahmen im Schweizer Fernsehen nicht gezeigt werden. Dieser Reporter sandte mir jedoch den Schmalfilm zurück. Abends fand im luxuriösen "Dock-Hotel" ein Empfang für alle Beteiligten statt. Am Mittwoch, 3. Oktober 1962, fuhren wir in Antwerpen ab. Unser Ziel war der Golf von Mexico. Am Donnerstag, 18. Oktober 1962, erreichten wir die kleine Hafenstadt Lake Charles, USA. Die US-Army wollte uns zu einem Rundflug einladen. Leider war zur selben Zeit die Kuba-Krise ausgebrochen. Da waren keine Flugzeuge für solche Spässe zur Verfügung. So wurden wir wieder ausgeladen. Am Freitag, 26. Oktober 1962, fuhren wir in Lake Charles ab. Unser Ziel war Madras in Indien. Da unsere Reise bei Kuba vorbeiführte, wurde es für uns gefährlich. Damit wir nicht mit russischen Schiffen verwechselt wurden, mussten wir uns schützen. Wir mussten auf dem hintersten Deck eine Holzwand montieren. Darauf wurde ein grosses Schweizerkreuz gemalt. Ich installierte grosse Lampen, damit das Schweizerkreuz auch nachts sichtbar war. So konnten wir Kuba ohne Zwischenfälle passieren. Der Kapitän ordnete an, dass das Schweizerkreuz nicht abgebrochen wurde. In der Zwischenzeit war ein Krieg Indien-China ausgebrochen. So waren wir in Indien auch geschützt. Am Donnerstag, 20. Dezember 1962, erhielten wir in Madras vom amerikanischen Konsul auf unserem Schiff eine Auszeichnung. Jeder erhielt 2 Dankesbriefe von der US-Army und einen Check, abgestuft nach Dienstgrad. Ich erhielt 21 US-Dollar. Das war die letzte Aktion unserer Rettungsepisode. |