Ausbildungsreise des FB Seefahrt auf "S.S. Grossherzogin Elisabeth"

Manuskript: Stud. Naut. Roger P. Witschi
mit Bildergänzungen

grossherzogin-elisabeth_DGEN_ex-san-antonio_5309413-001-gr.jpg (150029 Byte) Werte Freunde, Kameraden und nautisch Interessierte,

Gerade rechtzeitig hab ich das Containerschiff St-CERGUE in Panama verlassen, um nach nur 3 Tagen kurzem Aufenthalt in der Schweiz, wo ich immerhin die nötigsten privaten Dinge erledigen konnte, gleich darauf nach Deutschland aufzubrechen, um an der diessemestrigen Ausbildungsreise an Bord des Segelschulschiffs unseres maritimen Fachbereichs teilzunehmen.
Am Donnerstag, 9. Okt. 2008 war ich zurück in Elsfleth, gerade rechtzeitig noch, um beim Bunkern, der Verproviantierung und der Wacheinteilung für die kommende Reise noch mitzuhelfen bzw. dabei zu sein.
Zwischendurch konnte ich auch noch meinen Praxissemsterbericht abgeben sowie die nötigen Formalitäten ur Gruppeneinteilung beim Simulatortraining und den Semesterabschlussprüfungen klären.
Samstags fand ich gar noch Zeit, mich nach der halbjährigen Abwesenheit mal wieder kurz in meiner WG einzurichten und die hinterlegte Post abzuholen.

Am Sonntag jedoch, um 12:00 ging es für die "Offiziere" (höhere Semester) jedoch bereits los, wir hatten uns an Bord einzufinden um uns einzurichten, die Reise zu planen und ab 15:00 die jüngeren Semester (Mannschaft) einzuführen.
Die praktischen Vorbereitungen liefen ab Mitternacht, und um 0600 am Montag legte die Grossherzogin von der Pier in Elsfleth ab. Bei dichtem Nebel liefen wir mit 45 Kadetten (davon 15 Frauen), 4 Professoren (2 Nautiker, 1 Ingenieur und 1 Meteorologe) sowie einem Koch an Bord hinaus auf die Weser, Richtung Bremerhaven.
Eingeteilt war ich in der 8-12 Wache, unsere interne Rotation wechselte dabei täglich unsere Posten als Deck-/Segeloffizier, Radarbeobachter/Kommunikationsoffizier, Karten-/Navigationsoff., Wachoffizier/führer, Ingenieur, und Reserve. Zusätzlich musste unsere Wache jeden 3. Tag den freien Mann/die freie Frau als Tageskapitän/In für Papierkram, Inpektionen und ggf. Manöver abstellen.
Die niedrigeren Semester wechselten sich ab als Rudergängerin, doppelter Ausguck, Kartenassistenz (inkl. Wetterbeobachtung), Backschaft, Teilnahme an Meteorologie- GMDSS, und ECDIS Kurs, Maschinistin sowie Reserve.

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Unsere erste Absicht war nach London zu segeln, doch das Wetter mit südwestlichen Winden machte diesem Plan ein schnelles Ende. Stattdessen beschlossen wir, nach einem kurzen Zwischenstopp zum "Sprit" bunkern auf Helgoland, nach Norden zu segeln, und wenn möglich Kap Skagen zu runden. Dies gelang uns auch nach 2 Tagen ziemlich gut, und wir steuerten Göteborg an.
Da aber der Wind weiter drehte, und die Lissy nur etwa halbe Höhe am Wind laufen kann, wurde dieses Ziel zunehmend unerreichbarer, und wir drehten stattdessen nach Süden ab, Richtung Kopenhagen. Nach zwei weiteren gemütlichen Segeltagen, wo sich die Crew auch immer besser einspielen konnte, hatten wir am 16. Oktober die schöne dänische Hauptstadt, mit ihren noch schöneren (dänischen) Mädchen erreicht.
Den 2-tägigen Landgang genossen wir ausführlich... es werden sich einige schöne Erinnerungen wie auch wohl einige Beziehungen halten.
Weitersegeln wollten wir nach Kiel, doch schon bei Auslaufen war klar, dass der ungünstige, südwestliche Wind, der zudem stärker wurde, dies wohl verhindern könnte. Als wir am nächsten Morgen Mön passiert hatten, war ein richtiger Sturm aufgekommen, und wir kämpften uns durch die kommende Nacht unter Maschine mit Mühe, mit ca. 5 Knoten durchs Wasser aber nur einem halben über Grund Richtung Rostock.

Am Sonntagmorgen hatten wir dann Rostock erreicht, als Wachhabender Offizier der 8-12er oblag es nun mir, die Lady sicher in den Hafen zu bringen. Ca. 1 Meile vor der Ansteuerungstonne setzten wir zum Wachwechsel die Sturmfock sowie den Klüver, und sodann rauschten bald mit beinahe 8 Knoten über Grund druchs Fahrwasser. Die Geschwindigkeitssteigerung hatte den gewünschten Effekt, nämlich die Steuerfähigkeit markant zu erhöhen und die Abdrift zu reduzieren.
Mit 20 Grad Vorhaltewinkel war es jedoch kein leichtes, sich gut vom Fährverkehr freizuhalten und am Steuerbord-Tonnenstrich entlang das Schiff auf Kurs zu halten. Mit etwas Erfahrung vom Segeln und einer tollen Unterstützung durch das Brückenteam gelang mir dies jedoch verhältnismässig gut, und um 10:00 konnte ich im Hafenbecken Order zum Bergen der Segel geben und das Schiff zum Anlegemanöver an die Tageskapitänin übergeben.
Wir legten direkt an der Kreuzfahrtpier von AIDA an genossen erstmals wieder ein ruhiges, nicht schlingerndes Mittagessen. Es wurde aber überhaupt nicht langweilig, denn Nachmittags stand die Taufe für die Lissy-Neulinge auf dem Programm, und daneben betrieben wir noch Knoten-, Spleiss, und Bootsausbildung. Abends stand wie immer nautisch-/technische Kameradschaft beim Wachbier aufm Programm. Am nächsten Tag dann mussten wir zunächst verholen, um Wasser bunkern zu können, und nachdem dies erledigt war erfolgten diverse Manövrierübungen mit viel An- und Ablegen im Hafenbecken, zudem wurde weiterhin Bootsausbildung und Seewetterkunde betrieben.
2 Professoren gingen denn von Bord und liessen sich durch angereiste Kollegen ablösen.

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Nachmittags hatte sich der Wind dann auf eine gute 4 abgeschwächt und kam mittlerweile exakt von Westen. Um 15:00 war dann der Zeitpunkt gekommen, wieder abzulegen. Aber nicht etwa mit Maschine oder Hilfe des Bugstrahler oder Beiboots wie sonst.
Auf Geheiss des Kapitäns wurden sämtliche Segel bereits an der Pier gehisst, noch während dies im Gange war, wurden achtern, und kurz darauf vorn die Leinen, welche vorher auf Slip gelegt worden waren, gelöst und unter den bewundernden Blicken der Spaziergänger und einem respektvollen Kommentar von Rostock Port Control über UKW, segelten wir unter Vollzeug hinaus in die untergehende Sonne der Ostsee. Als Leiter der Achterstation war es mir ein besonderes Vergnügen, dem ganzen Manöver zuzuschauen, wissend dass die Maschine nur bemannt war, aber nicht lief. Ein herrlicher Augenblick.
Die Nacht über segelten wir nach Kiel, wir mussten jetzt durch den NOK, wenn wir noch rechtzeitig wieder zuhause sein wollten. Am Morgen waren wir da, und begannen direkt mit unserer Kanalpassage, welche nicht ganz ohne war, da der Lotse, auf Geheiss des Kapitäns, sich lieber für die Konstruktion des 100-jährigen Segelschiffs, sowie die Messe und die Bar interessierte, als für die Navigation auf Brücke. ;-)
Am Abend gegen 6 Uhr hatten wir dann Brunsbüttel erreicht, der Wetterbericht verhiess jedoch nichts Gutes, eine steife 7 aus SW stand auf der Nordsee, und die Lissy konnte so nicht mal die Elbe verlassen. Als entschied man sich, erstmal Cuxhaven anzulaufen und sich da an die Pier zu legen, als unnötiges Kreuzen und Maschinenmanöver zu riskieren. Auch da wurde uns nicht langweilig, nette Gesellschaft von Land fand sich bei uns an Bord ein, und so konnte es schon etwas später, bzw. früher werden.

Tags darauf dann immer noch eher diesiges Wetter, wir warteten weiter und hörten in der Messe gespannt Vorträge zum Thema moderne elektronische Seekarte(n), DSC auf UKW und Seegangsprognostik. Nachmittags dann die Chance, der Winde hatte nachgelassen, und auf WSW gedreht, zudem herrschte klare Sicht, wir liefen also aus und versuchten unter Maschine Helgoland zu erreichen, dies würde unser Sprungbrett in die Weser sein. Das Wetter verschlechterte sich im Laufe der Nacht jedoch zunehmends, die Windrichtung stimmte noch, jedoch erreichten Böen schon über 23 Knoten. Punkt Mitternacht übernahm ich als neuer Tageskapitän für diesen Donnerstag den Dienst, es waren noch ca. 2h bis Helgoland, und wir hatten zur Stabilisierung nur die Sturmfock gesetzt.
Frau Klies aus der 0-4 Wache liess Segel bergen und brachte die Lissy um 0300 sicher in den Aussenhafen, doch meine Aufgabe kam erst noch. Dank vorausschauender und gütiger Mithilfe des Kapitäns und seinem Steuermann gelang es mir, das Schiff unter voller Aufbietung von Bugstrahlruder, ausgesetztem Beiboot und achterlicher Manöverleine sicher an die Ostseite des Süddamms zu manövrieren, wobei wir jedoch, aufgrund des starken Winds uns nur festmachen, aber keine Gangway ausbringen konnten. Zusätzliche Leinen wurden an Deck geschafft, die Hafenwache war zudem ständig komplett besetzt. Nachdem ich nochmals die Leinen und das Deck inspiziert hatte, legte ich mich für ca. 1.5h schlafen. danach musste ich beriest auf, um mit dem Beiboot um 0700 die Anmeldung beim Hafenamt vorzunehmen, den Wetterbericht abzuholen und warme Brötchen fürs Frühstück mitbringen zu lassen.

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Das Wetter sah nicht gut aus, weshalb wir entschieden, Mittags in den Innenhafen zu verholen, falls es ging. Wir entschieden, dass Schiff erst in den Wind zu drehen, uns zurücktreiben zu lassen, und danach Fahrt aufzunehmen um die schmale Passage zu schaffen. Der erste Teil des Manövers ging gut, die Lissy drehte, mit der Achterleine noch an der Pier schön erst ihr Heck durch denn Wind, danach unter Voll voraus und Bug voll nach Steuerbord auch langsam die Nase. Kurz bevor das Schiff aufgestellt war fielen jedoch gleichzeitig der Bugstrahler wie auch die Rudermaschine aus, gottseidank hatten wir vorher beide Anker klar zum Fallen gemacht, und auf Kommando rauschten auch schon beide Ketten aus. Das Ruder liess sich jetzt nur noch mit 2 Leuten von Hand legen, eine Kraftarbeit. Langsam trieben wir achteraus, doch nach 3 Schäkeln im Wasser kam, exakt an der Position, wo wir in den Innenhafen andrehen wollten, die Bewegung aus dem Schiff.

Es waren nur die Sicherungen rausgeflogen, jedoch in einer Kettenreaktion, doch nach 15. min. liefen sämtliche Aggregate wieder. Langsam holten wir beide Anker auf (welche sich gottseidank nicht vertörnt hatten), und stabilisierten dabei die Nase mit dem Bugstrahler. Nach 1h war auch dies geschafft, und wir liessen uns dann wie geplant mit geringer Maschinenleistung zurücktreiben und drehten rechtzeitig zur Einfahrt in den Innenhafen auf, wo wir uns dann vom Wind gemächlich an den Ostdamm treiben lassen konnten. Beibootsteam beobachtete die ganze Aktion fasziniert vom der sicheren Anlegestelle aus. Die Fender waren ausgebracht und die Lissy lag fest, in ruhigem Wasser. Nachmittags besuchten wir fast schon gemütlich das ebenfalls auf Helgoland liegende Vermessungsschiff "Komet" des deutschen Hydrographischen Dienstes, wo wir die spezielle Ausrüstung besichtigen und uns eine kurzfristig arrangierte Präsentation zum Thema "Entstehung einer Seekarte" anhören und -schauen konnten. Auch dies musste natürlich frühmorgens vorher durch den Tageskapitän arrangiert worden sein.

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Nebenbei wurde wie immer auch praktische Ausbildung betrieben, hinzu kam an diesem Tag für die jüngeren Semester die nochmalige Auffrischung und Einführung an den Radargeräten, der Logge und dem ECDIS sowie der Positionsbestimmung mittels Doppelhorizontalwinkelmessung durch Gebrauch des Sextanten, was sich durch die fixe Lage des Schiffs mit den Molenköpfen und dem Leuchtturm als einfach zu beobachtende Objekte als ideale Übungsanlage erwies.
Als Tageskapitän oblag mir dann auch noch die spezielle Aufgabe, für das Abendprogramm entsprechendes Kino zu organisieren, es wurde entschieden "der Sturm" zu kucken, derweilen draussen die Böen Stärke 10 erreichten. ;-) Einige der Mannschaft erläuterten nachher, sie wollten demnächst nicht mehr auslaufen.
Punkt Mitternacht übergab ich dann endlich das Kommando an den nächsten Tageskapitän und legte mich, wie so viele andere auch todmüde schlafen.

Frisch ging es daraufhin um am nächsten Morgen weiter, Regen hatte eingesetzt und der Sturm zeigte noch keine Anzeichen, sich abzuschwächen. Ein mögliches Fenster mit Drehung der Windrichtung war jedoch für diesen Freitagnachmittag vorausgesagt. Den Morgen über vertrieben wir uns erst nochmal die Zeit, der neue Tageskapitän hatte weitere Besichtigungen arrangiert. Wir hatten die grosse Chance, den Mehrzweck-Hochseeschlepper "Neuwerk" des Wasserschutzamts Bremen sowie den kentersicheren Voll-Edelstahl/-Aluminium Seenotkreuzer "Hermann Marwede" der DGzRS zu besichtigen, welche hier auf Pikett lagen, um in Not geratenen Schiffen und Seefahrern in der deutschen Bucht zu helfen.

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Beim gemeinsamen Mittagessen kam dann plötzlich die Meldung von der Brücke: "Wind nun weniger als 20knoten, aus Westen kommend." Alle Hände auf Station! war das Signal, und 15min. später schob sich die Lissy mühsam mit voller Kraft, unter fast rechtem Winkel zwischen den Molenköpfen hindurch hinaus auf die stürmische Nordsee.
6 Stunden dauerte die rauhe Überfahrt zur Wesermündung, doch kurz vor Bremerhaven legten sich sowohl See wie Wind plötzlich und merklich, und es war für mich erneut als WO der 8-12 Wache dann ein leichtes, die Lissy unter Halbzeug, bei guter Sicht mit ca. 8 Knoten Fahrt durchs Wasser in die Weser reinzubringen.
Nachdem die Segel geborgen waren legten wir am Morgen des 25. Oktober um 0300 dann sicher wieder am heimischen Liegeplatz in Elsfleth an. Nach dem Aufklaren und abriggen verliessen wir die Lissy, welche nun bereit war für ihre alljährliche Überholung in der Elsflether Werft, dann etwa um Samstagmittag.

Es war eine schöne Zeit an Bord und ich freue mich nun, hier in Elsfleth auch noch die diessemestrigen Vorlesungen und Prüfungen in Manövrieren, gefährlicher Ladung, Tanker Familiarisation, Gesundheitspflege und fortgeschrittene erste Hilfe, Chartering und Befrachtung und fortgeschrittener technischer Navigation abzuschliessen.

Und weil Bilder mehr sprechen als Worte.... davon noch ein paar im Anhang. :D

Viele Grüsse,
Roger Witschi

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