Schiffsgeschichte
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Der Dampfer DUNSLEY wurde von Robert Thompson Shipyard, Southwick, Sunderland, England gebaut (am Fluss Wear an der Ostküste). Der Stapellauf war am 20.03.1928. Mit Baunummer 336 war sie eines der letzten Schiffe die auf dieser Werft vor ihrer Schliessung im Jahr 1930 konstruiert wurden (letzte Baunummer 341). Im September 1929 wurde sie ihren Eignern Headlam & Son's Steamship Co. Ltd. Whitby, North Yorkshire, England abgeliefert. Sie fuhr unter Britischer Flagge und ihr Heimathafen war Whitby (Offizielle Nr.: 1161013 / Rufzeichen GJYN). Ihr Fahrtgebiet war der Nordatlantik, hauptsächlich zwischen Grossbritannien und Kanada.

Am 02.12.1940 befand sich die DUNSLEY auf der Fahrt von Kanada nach Grossbritannien. Sie, hinkte ihrem Konvoi hinterher und wurde deshalb vom deutschen Unterseeboot U-47 (Günther Prien) westlich von Nordirland angegriffen und mit der Bordkanone beschossen. Die Ladung bestand aus Stahl und Holz. Dabei geriet das auf Deck geladene Holz in Brand. Es gelang der Mannschaft jedoch das Feuer zu löschen, aber der Schiffsrumpf und ihr Ladegeschirr erlitten einige Schäden (siehe uboat.net).

Anfangs 1945, unterwegs im Konvoi im Nordatlantik hatte sie eine Kollision mit dem Ellerman Liner CITY OF GLASGOW, es sind uns jedoch keine weiteren Angaben bekannt.

Am 20.01.1946 auf der Route von Leith, Schottland nach dem Tees lief die DUNSLEY bei dichtem Nebel auf das Felsenriff East Scar bei Redcar, in der Nähe der Teesmündung. Sie wurde mit dem Heck auf Stokesley Scar getrieben mit ihren Bug im Sand. Das lokale Rettungsboot anerbot sich zweimal die Besatzung zu evakuieren, sie lehnten die Hilfe jedoch ab. Später gelang es mit der Unterstützung von Schleppern das Schiff wieder frei zu bekommen und es zur Reparatur in eine Werft zu bringen.

In 1954 kaufte Sebastiano Tuillier den Frachter und gab ihm den Namen LOCARNO (eingetragener Eigner: Compañia de Navegación Costaricense "San Juan" Ltda., Puerto Limón, Costa Rica. Rufzeichen TIFD). Ungefähr einen Monat später nahm die LOCARNO eine Ladung Erz in Aguilas, Spanien. Beim Verlassen des Hafens driftete das Schiff gegen das Ufer und ging auf Grund. Nachdem der Dampfer flott gemacht und in Gibraltar repariert wurde, wurde er registriert für Compañia de Navegación San Rocco S.A. in Puerto Limón.

1959: Flagge nach Panama geändert. Rufzeichen: HPXI.

Am 03.01.1961 war die LOCARNO en route von Genua nach Follonica (Portiglione), Italien, als sie in Rapallo, östlich von Genua auf Grund driftete. Der Dampfer wurde nach 43 Tagen abgeborgen und nach La Spezia geschleppt. Sie wurde zum Totalverlust (constructive total loss) erklärt und dort bei Cantieri Navali del Golfo verschrottet.

SwissShips HPS, MB, August 2014

Zusätzliche Informationen und Geschichten

Strandung auf der Promenade von Rapallo, Italien, Januar 1961

Die Originalgeschichte wurde von Kapitän Carlo Gatti und dem Journalisten Emilio Carta von der Gesellschaft "Mare Nostrum" in Rapallo, Italien aufgezeichnet und niedergeschrieben. Sie wurde am 29.01.2013 veröffentlicht. Wir haben die Geschichte aus dem Italienischen übersetzt und gekürzt, sowie einige der technischen Erklärungen weggelassen.

Von Lübeck in Westdeutschland kommend, kam die LOCARNO am 20.12.1960 in Genua an und machte am Ponte Rubattino fest um 6000 Tonnen Stahl-Ingots zu löschen. Die Löscharbeiten benötigten viele Tage, somit verbrachte die Besatzung eine friedliche und ruhige Weihnachts- und Neujahrzeit im Hafen.

Am Morgen des 03.01.1961 war der Dampfer bereit zum Auslaufen, der nächste Hafen war Follonica (Portiglione) in der Toskana, nur ungefähr 118 Seemeilen gegen Osten, um eine Ladung Erz für Deutschland zu übernehmen. Das Schiff befand sich in Ballast, alle Doppelbodentanks, sowie die Vor- und Achterpiek mit Seewasser gefüllt. Der Tiefgang betrug nur ungefähr 3,0 bis 3,5 Meter. Die Besatzung bestand aus 23 Mann, den Kapitän mitgerechnet. Viele der Männer waren von Genua, ein Mann war Abessinier (heute Äthiopien). Der Kapitän war von Torre del Greco bei Neapel.

Nachdem die Capitaneria (Hafenkapitän) die Auslaufgenehmigung (Clearance) gebracht hatte, bestellte der Kapitän den Lotsen und setzte die Abfahrt auf 08:00 Uhr fest. Bei der Ankunft des Lotsen bemerkte er, dass die Gangway schon hochgezogen und festgezurrt war und aussenbords nur noch die Lotsentreppe hing. Für die Leute im Hafen bedeutete dies, der Kapitän hatte es eilig den Hafen zu verlassen…

Als der Lotse auf der Brücke ankam, meinte er zum Kommandanten "Kapitän, ein starker südwestlicher Sturm von ungefähr 6 bis 7 kommt auf, ich rate ihnen dringend, ihre Abfahrt um einige Stunden zu verschieben. Ihr Schiff ist leer, "a pallone" (wie ein Ballon) und eine Wetterbesserung wird in den nächsten 12 Stunden nicht erwartet". Aber Kapitän Vittorio Sallustro, fest entschlossen zu fahren, entgegnete "Die Reise ist nur kurz, ungefähr 10 bis 12 Stunden bis Follonica. Unser Schiff hat allen Stürmen standgehalten seit wir in Lübeck ausgelaufen sind, zuerst im Skagerrak, dann in der Nordsee, im Englischen Kanal, in der Biskaya und zuletzt im Löwengolf (Golfe du Lion). Mister Pilot, sind sie beruhigt. Wir werden sehen, sollten Probleme auftauchen kommen wir zurück und ich rufe sie an".

Einer meiner Freunde, der Lotse L.A. der sie rausgebracht hatte, erzählte mir viele Jahre später, der Dampfer rollte so fürchterlich, dass die Spitzen der Rettungsboot-Davits fast die Kämme der Wellen berührt hätten.

Kurz vor 10:00 Uhr, die LOCARNO passierte das Leuchtfeuer von Portofino, als es dem Kapitän klar wurde, dass es zu gefährlich war, die Reise fortzusetzen und er entschied im Golfo del Tigullio Zuflucht zu suchen. Nach einer kleinen Weile wurde der Anker querab von Punta Pedale bei Santa Margherita fallen gelassen. Zu diesem Zeitpunkt hoffte der Kapitän, dass der Wind nach Norden drehen würde und die Reise bald fortgesetzt werden könnte.

Leider drehte der Wind jedoch nach Südosten ("Scirocco") und der Kapitän beschloss den Anker zu hieven und gegen die offene See zu fahren um eine raue und wüste Nacht zu verbringen. Als der Anker endlich gestaut war, gab er "voll voraus" um das Heck von den nahen Felsen wegzubekommen und die offene See zu gewinnen. Jedoch die LOCARNO in Ballast mit hohen Bordwänden und erbarmungslos dem Sturmwind ausgesetzt, hatte nicht genügend Maschinenkraft um irgendwelche Fahrt voraus zu machen. Trotz vielen Versuchen "voll voraus" und "voll rückwärts" der Frachter wurde letztlich quer zum Wind gedrückt. Jetzt driftete das Schiff unerbittlich weiter gegen das innere Ende des Golfo del Tigullio mit dem Ferienort Rapallo.

Anscheinend um diese Zeit fragte der Kapitän nach Schlepperhilfe aus Genua, natürlich ziemlich spät, wenn nicht schon zu spät. Die Schlepper hätten unter normalen Wetterbedingungen ungefähr zwei Stunden gebraucht, gegen eine Strömung von etwa einem halben Knoten. Jetzt gegen den südöstlichen Sturm benötigten sie bedeutend mehr Zeit, zumal die Strömung vielleicht 5,0 Knoten erreichen konnte. Zudem, zu jener Zeit waren die Genueser Schlepper alles alte Dampfschlepper mit etwa 600 bis 800 PS, grossen Rumpf und einem Tiefgang von ungefähr 5,0 bis 6,0 Metern. Unter den gegebenen See- und Wetterbedingungen in diese Bucht einzufahren war einfach zu gefährlich.

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Die LOCARNO, beachte auch das weggebrochene Ruder

Um den Dampfer vor weiterem Driften zu bewahren, befahl der Alte beide Anker zu werfen. Das Schiff zeigte jetzt mit dem Steven gegen das offene Meer. "Die Anker halten!" Mit Maschinenmanövern versuchte man die Zugkraft auf den Ankern und Ketten zu verringern. Dies gab einen Aufschub von vielleicht einer Stunde, dann nahm der Sturm wieder an Stärke zu und die Anker begannen wieder auf dem sandigen Grund der Bucht zu schleifen. Der Dampfer konnte seine Position ungefähr bis Mitternacht halten. Der Wind wollte nicht nachlassen, die Lichter der Promenade nunmehr nahe, vibrierten und verstreuten leuchtende Streifen, fröhlichen Fantasien gleichend, die mit den brechenden Wellen auf den Ufersteinen einen surrealen phosphoreszierenden Sprühregen projezierten, einem makaberen Tanzfest Leben einhauchend.

Aber alles hat seine Grenzen, die steuerbord Ankerkette brach mit lautem Knall. Als einziges mögliches Mittel verblieb noch mit Maschinenmanövern das Schiff von den Felsen und anderen Hindernissen, wie der Promenade oder dem alten Fort, das von der Uferlinie vorstand, fernzuhalten. Auch eine andere Gefahr lauerte, sollte der Rumpf eine der flachen Sandbänke berühren, konnte das Schiff kentern.

In jedem Fall, die LOCARNO trieb durch alle Sandbänke, vermied die Felsen und setzte sich wie ein grosser Walfisch auf Grund vor Rapallos Seepromenade, am spektakulärsten Platz vor dem Hotel Excelsior. Dies geschah in den frühen Morgenstunden des 04.01.1961. Ungefähr um 04:00 Uhr gelang es der Mannschaft eine Gangway an das Ufer zu riggen und der Besatzung wurde ein warmes Essen am Land serviert.

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Die LOCARNO an der Promenade, beachte der steuerbord Anker und die Kette gingen verloren

Schon um 19:20 Uhr wurde eine Mitteilung in einem Pastiksack mittels einer Wurfleine an Bord geschickt, um nach dem Befinden der Besatzung zu fragen. Auf dem gleichen Wege gab der Alte zu verstehen, dass alle wohlauf und keine Verletzten an Bord sind. Der heulende Wind und das Getöse der Wellen verunmöglichte jede Unterhaltung durch Zurufen oder mit dem Megaphone. Mit der Hupe eines Autos in der Nähe des Schiffes, wurden Morsezeichen gesendet.

Nach kurzer Zeit boten alle Andenkenläden in Rapallo Postkarten in vielen Variationen des gestrandeten Schiffes an.

Über die Schäden der LOCARNO gibt es keine verlässlichen Berichte, die Schraube war verbogen, das Ruder gebrochen, der steuerbord Anker weg und offensichtlich hatte sie einige Lecks, sollen doch Maschinen- und Laderäume geflutet gewesen sein. Sie verblieb für 43 Tage in Rapallo, bis sie am 15.02.1961 flott kam und von einem Schlepper der Società Rimorchiatori Riuniti, Genua nach La Spezia zum Abwracken geschleppt wurde. Es wird angenommen, das der Abbruch in einer Abwrackwerft der Neri Gruppe erfolgte.

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Zeitungsartikel "Naufragio in Salotto" oder "Schiffbruch im Wohnzimmer"

Die italienische Wochenzeitung "Oggi" brachte einen Artikel zum Ereignis in Rappallo und betitelte ihn "Schiffbruch im Wohnzimmer". Unten eine freie Übersetzung des Inhaltes:

Der Artikel "Schiffbruch im Wohnzimmer"

An der Uferpromenade von Rappallo ereignete sich eines der ungewöhnlichsten Dramen unserer Zeit. Für die beteiligten Personen lief alles glatt, trotzdem war auch viel Schauderhaftigkeit dabei. So einen Schiffbruch wie diesen hatte man noch nie gesehen, normalerweise gehen Schiffe mitten im Ozean bei stürmischer See unter, sie zerschellen auf einem Riff oder sie laufen auf einer verlassenen Reede auf Grund. Dieser jedoch war ein hausgemachter Schiffbruch. Hätte Vittorio Sallustro, der Kapitän der LOCARNO, die Möglichkeit gehabt in einem Handbuch eine Stelle zu finden das Schiff auf Grund zu setzen um die Schäden gering zu halten, er hätte kaum einen geeigneteren Ort finden können wie den Golf von Tigullio. Er hat sich genau durch die engste Stelle des Golfes gedrängt um dann das Schiff auf eine Sandbank zu setzen, genau vor der Uferpromenade eines der weltweit berühmtesten Strandbäder. Nun sitzt das Schiff auf Grund, mit überfluteten Bilgen, Laderäumen und Maschinenraum, die Schiffsschraube verbogen und das Ruderblatt entzwei. Durch die Lecks gelangt der Treibstoff ins Meer und breitet sich aus. Das ganze Schiff ragt aus dem Wasser und liegt mit 15° auf der Seite, bereit um bei der nächsten Sturmflut zu kentern. Doch 10 m weiter befindet sich die Uferpromenade mit den Palmen und Bänken, auf welchen sich ältere Personen die Knochen von der Sonne wärmen lassen. 30 m weiter stehen die Hotels. Für die Schiffbrüchigen stehen alle Annehmlichkeiten bereit, reicht die Gangway gerade auf eine kleine Mole, brauchen sie bloß ein paar Schritte zu gehen und schon sind sie im Gasthaus mit gemütlichen Zimmern wo der Besatzung Hähnchen am Spieß erwarten. Auch die Urlauber sind zufrieden. Wie nett dass der Kapitän gerade hier gestrandet ist, sagte man sich die letzten Tage. Die Frauen, grösstenteils aus Mailand, die von der lombardischen Kälte und dem Nebel geflüchtet sind sitzen hinter den Fenstern der Cafes der Promenade, die von den Wellen überspült wird. Sie haben den verschiedenen Phasen der Strandung mit leichtem Schaudern beigewohnt, wie im Kino, glücklich dass irgendetwas Unverhofftes die Urlaubstage bereicherte.

SwissShips, HPS August 2014 / Dezember 2022

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